Schweiz Roadtrip - Tausche Van gegen Zelt.

Ein Urlaub ohne den gewohnten VW-Bus und stattdessen im Zelt schlafen und auf den Komfort von Stauraum und eigener Toilette verzichten? Und vor allem nicht ans Meer fahren, also kein Surfen oder Kiten. Was für mich persönlich als begeisterter Wassersportler erstmal nicht so spaßig klang, wurde zu einem superschönen Trip, bei dem ich letztendlich sogar doch noch aufs Wasser kam.

Nach einer kurzen Überredungsphase hatte mich meine Freundin doch von unserem Ziel im August, der Schweiz, überzeugt. Unseren alten T4 aus 1995 ließen wir allerdings daheim, da er sich mit seinen 78 Ps nicht unbedingt jeden Alpenpass im zweiten Gang hochschleppen sollte. Da wir uns für unsere Route allerdings einige Pässe herausgesucht hatten, musste also ein alter Ford Focus herhalten. Beim chaotischen Packen im Sommergewitter wurde erstmal der Schlüssel auf der Kofferraumklappe eingeschlossen, ging dann durch kräftiges Drücken auf die Klappe doch wieder auf. Unsere Wanderrucksäcke mit Zelt, Schlafsäcken und allem Nötigen, sowie das Kite-Equipment passten dann doch noch hinein - ein echtes Raumwunder.

Der erste Zwischenstopp der Reise war Zürich. Unter bester Reiseführung durch einen Freund aus Unizeiten erkundeten wir die herrliche Stadt mit ihrer wundervollen Lage am See und unseren persönlichen Highlights, den ‘Badis’. Als Wahl-Hamburger bin ich zwar viele Kanäle und Wasser um jede Ecke gewohnt, allerdings sind die vielen charmanten Badestellen im urbanen Schweizer Sommer nicht zu toppen gewesen.

Auch wenn man ohne Probleme, abgesehen von den hohen Preisen, noch länger in Zürich hätte verweilen können, zog es uns raus ins Abenteuer und auf unsere erste Wanderung. Als Flachländer wollten wir erstmal klein starten und unser erster Gipfel der Wahl war das Augstmatthorn mit seinen 2.137 m Höhe. Die Wanderung vom Jägerstübli aus war steiler als erwartet, kilometermäßig aber eher einfach. Während der ganzen Wanderung konnte man immer wieder ein beeindruckendes Spiel der Wolken beobachten. In einem wellenartigen Rhythmus bedeckten sie immer wieder den Gebirgskamm und ließen ihn kurz darauf wieder hinaus stechen. Trotz der relativ vielen Wolken war der Blick auf den Brienzersee mit seinem türkisfarbenen Wasser immer wieder wunderbar zu erkennen. Bei wolkenlosem Wetter wäre sogar ein Blick auf die Eiger-Nordwand möglich.

Nach dem Abstieg war es erstmal Zeit für einen Kaffee, um den weiteren Nachmittag und Abend zu planen. Selbst gekocht mit der Bialetti in der Natur schmeckt es natürlich auch besser als auf den meisten Hütten. Da wir uns nicht in einem Bereich oberhalb der Baumgrenze aufgehalten haben, wo das Zelten in einigen Bereichen frei erlaubt ist (Achtung: lieber genau nachschauen wegen Naturschutz- und Jagdgebieten), entschlossen wir uns in Interlaken auf die Suche nach einem Campingplatz zu gehen. Nach über einer Stunde erfolgloser Suche, da sämtliche Plätze voll waren, suchten wir erstmal eine Abkühlung im besagten türkisfarbenen Wasser. Wie durch ein Wunder fanden wir danach doch noch einen Platz, auf dem wir unser Zelt aufschlagen konnten, wenn auch für einen Preis von um die 50 € für eine Nacht.

Mit einer guten Mütze Schlaf ging es am nächsten Tag Richtung Oeschinensee. Es lohnt sich wie wir früh zu starten, da die Touristenmassen gewaltig waren. Nach der nervenaufreibenden Parkplatzsuche ging es zu Fuß hoch zum 1.578 m hoch gelegenen See. Die direkte Route führt am Öschibach entlang, durch kleine Waldstücke und vorbei an kleineren Skipisten. Alternativ kann auch die Gondel genommen werden, um sich den Anstieg zu sparen. Am See angekommen wartet mal wieder eine trubelige Hütte auf hungrige Reisende, wir haben allerdings wie immer eigene Snacks dabei.

Nach einer Stärkung mit Ausblick auf das türkisfarbene Wasser entschlossen wir uns beide natürlich dazu, uns ins kühle Nass zu stürzen. Wie zu erwarten war das Wasser eine sehr willkommene Abkühlung, da die Temperatur selbst im Sommer in der Regel unter 20° C bleibt.

Um die schroffen Gipfel rund um den See herum sind immer wieder Paraglider zu sehen.

Zurück am Auto wollten wir diese Nacht oberhalb der Baumgrenze verbringen, um uns die stressige Suche nach teuren Campingplätzen zu ersparen. Außerdem sind die schönsten Plätze eh in der Natur!

Das nächste Ziel war der vielleicht sogar durch James Bond weltbekannte Furka Pass. Zuerst stand aber erstmal die Fahrt am Abend über den Grimselpass an. Wir waren durch einen kurzen Badestopp am Brienzersee etwas später dran und die Sonne stand bereits tief, perfekt um ein paar Fotos zu schießen, als die letzten Sonnenstrahlen fast waagerecht durch die Berge schienen und die Berge in ein warmes Licht hüllten.

Nach einer kurzen Pause am Grimselpass ging es dann die Serpentinen ins Tal und kurz darauf den Furkapass wieder durch zahlreiche Kurven mit ordentlicher Steigung hinauf. Da es mittlerweile fast dunkel war, suchten wir eine Parkmöglichkeit, von der wir nach einem kurzen Fußmarsch unterhalb einer Forschungsstation unser Zelt aufschlagen konnten. Mittlerweile legte sich die Feuchtigkeit über das Gras und leichte Wolken hingen zwischen den Berggipfeln. Nach einer schnellen Portion Pasta ging es dann zügig in den Schlafsack.

Eine kühle Nacht auf über 2000 m später wurden wir von bestem Wetter geweckt und konnten uns direkt in der morgendlichen Sonne aufwärmen. Nachdem das Zelt zusammengepackt und wir wieder beim Auto waren, entschlossen wir uns nochmal in die Richtung des Hotel Belvédère zu fahren. Das 1882 eröffnete Hotel ist eines der beliebtesten Fotomotive in der Schweiz, auch wenn es mittlerweile leider dauerhaft geschlossen ist. Direkt am anderen Ende des Parkplatzes befindet sich der Rhonegletscher, oder besser gesagt das, was noch von ihm übrig ist. Mittlerweile hat sich am Fuß des Gletschers ein See gebildet, der weiter wächst. Dass der Gletscher noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts bis in das Tal nach Gletsch reichte, ist heute kaum noch vorstellbar, auch wenn man dies anhand der Gesteinsbeschaffenheit gut erkennen kann. Heute ist der unterste Teil des Gletschers von einem weißen Vlies bedeckt, welches das Abschmelzen verhindern soll. Oder zumindest das Schmelzen der jedes Jahr erneut in den Gletscher geschlagenen Attraktion, dem Eistunnel. Ein verzweifelter Versuch, das weitere Bestehen der alten Attraktion zu sichern, obwohl das Ende des Gletschers durch den Klimawandel nicht mehr aufzuhalten ist, auch wenn die Ursachen schon lange klar sind.

Nach einem eindrucksvollen Besuch auf dem Furkapass und einer kurzen Wanderung entlang des Gletschers ging unsere Reise weiter in Richtung des Silvaplana Sees. Vorbei an zahlreichen bekannten Skigebieten wie Laax ging es weiter durch grüne Täler. Kurz vor der Ankunft folgte der Julierpass, welcher landschaftlich wieder einmal atemberaubend war und einem kurz darauf der Blick auf den Silvaplana See eröffnet wurde.

Durch den bei sonnigem Wetter konstanten thermischen Wind lädt der See auf 1790 m Höhe zum Kite- und Windsurfen, sowie zum Wingfoilen ein. Man sollte sich aber im Sommer auch bei warmen Temperaturen und dem Anblick des hellblauen Wassers täuschen lassen, denn die Wassertemperatur steigt nie über 16 Grad. So kann ein zu dünner Neoprenanzug bei einer längeren Schwimmeinheit schnell unangenehm werden.

Auf dem Weg zum Morteratschgletscher befindet sich nicht einmal 10 Minuten vom Silvaplana Camping entfernt der Luxusort St. Moritz. Nachdem man zwangsweise die Präsentation der Sportwagen und deren Besitzer durchfahren hat, führt die Straße weiter in Richtung des nur wenige Kilometer entfernten Gletschers. Auch hier zeigt sich wieder dasselbe Bild wie zuvor, jedoch sind die Ausmaße des Gletscherrückgangs noch besser erkennbar, oder besser gesagt spürbar. Der Weg zum Gletscher führt auf über 2,5 km Strecke durch das an diesem Sommertag sehr heiße Tal. Entlang des Weges sind immer wieder Zeitmarkierungen gesetzt, die den Rückgang von vor 1900 bis zum heutigen Gletscher zeigen. Besonders auffällig ist hierbei, dass sich Abstände immer weiter vergrößern und einem das schnellere Abschmelzen bewusst wird.

Unser letztes Ziel sollte die 5-Seen-Wanderung sein, auf der wir eine Übernachtung mit einbauen wollten, um dem größten Tourismusschwung auszuweichen. Gegen Mittag starteten wir mit der Bergbahn von Wangs aus hoch zur Pizolhütte, wo wir von starkem Wind und kühlen Temperaturen begrüßt wurden, was bei 2200 m Höhe aber auch zu erwarten war. Nachdem wir erstmal eine Schicht mehr angezogen hatten, ging der erste Abstecher zu See Nummer 1, dem Wangsersee, welcher durch die Nähe zur Gondel am stärksten frequentiert ist. Auf dem Weg zu See Nummer 2 geht es vorbei an grasenden Kühen, bevor es nach etwa 2 km an Kletterrouten vorbei zum ersten steileren Anstieg der insgesamt 11,4 km langen Wanderung geht.

Einige Höhenmeter später kommt man am Wildsee an, der mit 2438 m der am höchsten liegende See der Wanderung ist. Der See liegt in einem alpin kargen Bereich und hat das klassische milchig blaue Wasser. Hier spaltet sich der Weg und man hat die Option, die alpine Route zu wählen, welche auf den Gipfel des im Hintergrund thronenden Pizols klettert. Wenn man aber die 5-Seen-Wanderung weiter gehen möchte, führt der Weg hinunter zu See Nummer 3, dem Schottensee, welcher sich von oben mit seinem schönen einladenden Blau präsentiert. Da sich ein Jagdbanngebiet bis vom Wild- bis zum Schottensee erstreckt, ist hier das Campen/Biwakieren verboten. Leider mussten wir feststellen, dass einige ihre Zelte trotzdem hier aufschlugen und nicht die extra Meter gegangen sind, aber immerhin ihre Plätze getreu dem Motto "leave no trace" behandelten. Hinter dem See angekommen schlugen auch wir unser Zelt neben dem für Schafe und von Hütehunden bewachten Bereich auf und genehmigten uns eine schöne Trek’n Eat Mahlzeit aus der Tüte. Ein wunderbarer Sonnenuntergang sorgte dafür, dass sich die Farben der Gipfel und des Tals im Laufe der Zeit immer goldener färbten, bevor sie irgendwann verblassten und die Nacht einbrach. Leider eine kältere Nacht als erwartet, bei der ich mit meinem zu dünn gewählten Schlafsack immer wieder aufwachte. Ein paar Schichten Kleidung mehr angezogen halfen letztendlich, um durch die Nacht zu kommen. Beim Aufmachen des Zeltes wurde die Kälte der letzten Nacht durch den Reif auf dem Rasen noch einmal deutlich.

Nach einem schnellen Frühstück hieß es so schnell wieder in Bewegung kommen wie es geht, um den Körper wieder aufzuwärmen. Die Sonne ging auf der anderen Seite des Berges auf, aber der Anstieg am Morgen half auch, um wieder auf Temperatur zu kommen. Eine hundert Meter entfernt laufende Gämse machte den Morgen wie aus dem Katalog. Kaum war der Anstieg geschafft, präsentierte sich schon der Schwarz-See als vierter See auf unserer Wanderung, welcher sich nach näherer Betrachtung auch sehr als Schlafplatz angeboten hätte. Ein letzter kurzer Anstieg folgte, aber danach ging es nur noch bergab, schließlich war der Endpunkt der Wanderung die Liftstation Gaffia, von der es wieder hinab zum Parkplatz nach Wangs ging. Vorher fehlte aber noch der letzte der fünf Seen, welcher im Gegensatz zu den Seen zuvor eher grünlich wirkte. Auch zahlreiche Begegnungen mit den am Baschalvasee grasenden Kühen rundeten den Abschluss der sehr zu empfehlenden Tour ab. Gerade mit Übernachtung macht die Runde wirklich Spaß und besonders in den frühen Morgenstunden hat man die Wege fast für sich allein.

Nach der Fahrt zurück ins Tal und einer kurzen Stärkung am Kofferraum ging es auch schon wieder zurück auf die Fahrt Richtung Norden. Den gewohnten Van mal gegen ein Zelt zu tauschen fühlte sich zuerst etwas falsch an, aber eröffnet völlig neue Möglichkeiten, auch wenn etwas Komfort auf der Strecke bleibt. Häufig denkt man schon bei Stellplätzen beim Campen im Van, die Ausblicke sind einzigartig, aber das Zelten an den entlegensten Stellen toppt hier noch einmal alles. Nach dem Trip ist vor dem Trip und ich freue mich jetzt schon darauf, das nächste Mal mein Zelt aufzuschlagen und abseits der Zivilisation zu campen.